"Wir sind verheiratet und Absolute Beginner"
Erotik in einer Partnerschaft zu teilen, ist wunderbar. Sie öffnet Seelen und Körper beim lustvollen erotischen ineinanderschwingen.
Seit 17 Jahren arbeite ich als Sexobody-Coach mit Einzelnen und Paaren. Ich habe eine Menge Erfahrung. Viele Paare habe ich dabei unterstützen dürfen, auf ihrem Weg zu schönem Sex. Leicht ist dieser Weg für viele Paare allerdings nicht. Denn es gibt viel zu lernen. Viele Frauen und Männer haben sich zu Anfang des Weges nicht träumen lassen, wie hügelig die Landschaft ist.
Sex kann man lernen, so wie alles andere auch. Damit man sich das besser vorstellen kann, möchte ich über ein Fallbeispiel berichten, bei dem sich zwei Menschen ganz von Anfang an sexuell näherten. Das bedeutet, sie hatten beide noch keine sexuelle Erfahrung als sie zu mir kamen und waren nach acht Jahren Ehe immer noch „Absolute Beginner“.
"Können wie Sex noch lernen?"
Heidi, (32) und Andreas (34):
Selbstbefriedigung und Orgasmus: Heidi - nein, Andreas - ja
Hintergrund: wenig Wissen, Unsicherheit, Scham
Sexobody-Coaching: 2 Stunden, 2-mal/Monat
Dauer: 1 Jahr
Heidi und Andreas waren zum Zeitpunkt des ersten Termins bereits acht Jahre verheiratet. Sie genossen Hautkontakt, streichelten sich gegenseitig, wenn sie vor dem Fernseher lagen. Umarmten und küssten sich häufig. Aber weniger erotisch, sondern eher zum „liebhaben“. Zu Anfang ihrer Beziehung waren sie davon ausgegangen, irgendwann einmal lustvollen Sex zu haben, wie alle Paare. Sie waren beide die ersten Partner füreinander, hatten nur wenige Informationen, wie Sex sein kann, wie man sich erotisch verwöhnen kann.
Andreas hatte vor einigen Jahren Selbstbefriedigung für sich entdeckt, genoss fast täglich angenehme und lustvolle Liebesspiele mit sich selbst. Für Heidi war der eigene Körper ein unbeschriebenes Blatt. Sie verfügte weder über Erfahrungen mit einem anderen Mann, noch hatte sie sich selbst jemals sexuell berührt. Wenn sie zu Anfang der Beziehung miteinander im Bett lagen und sich aneinander schmiegten und streichelten, fühlte sie zwar Erregung in sich aufsteigen, wusste aber nicht, wie sie diese halten oder steigern konnte.
Sie streichelten sich gegenseitig, jedoch das Geschlecht einzubeziehen war nicht selbstverständlich. Beiden war es eher unangenehm, das eigene Geschlecht zu zeigen oder das andere anzuschauen. Sie nahmen Rücksicht aufeinander, spürten die gegenseitige Unsicherheit, wollten einander nicht beschämen. Heidi blieb weitgehend passiv, beide sprachlos. Das machte es für Andreas schwerer, mit seinen Händen oder Körper den richtigen Weg zu ihrer Lust zu finden. Anfangs probierte er aus, seine intimen Zonen den ihren zu nähern. Fühlte jedoch, dass sich ihr Körper sofort verspannte. Seine Erektion verschwand. Sie probierten eine Zeitlang, sich zu vereinigen. Schließlich ließen sie es bleiben und lebten fortan eine angenehme, zärtliche Partnerschaft von gegenseitiger Liebe, Unterstützung und Respekt getragen. Einen Kinderwunsch spürten beide nicht, das machte es leichter. Dennoch fühlten beide von Zeit zu Zeit eine tiefe Unzufriedenheit in sich aufkeimen. Beide machten sich insgeheim gegenseitig Vorwürfe, für den ausgefallenen Sex verantwortlich zu sein. Heidi sagte: „Wenn er nur dominanter gewesen wäre und weniger rücksichtsvoll, dann hätte es geklappt. Und vielleicht hätte es dann doch noch Spaß gemacht. Er hat viel zu früh aufgegeben.“ Andreas sagte: „Wenn sie nur etwas entgegenkommender und experimentierfreudiger gewesen wäre, hätte es geklappt. Ich musste ja immer Rücksicht nehmen auf jede ihrer Empfindungen. Immer war irgendetwas, was ihr nicht passte. Ich spürte, wie sie zurückzuckte bei jeder kleinsten Berührung und stets unzufrieden mit mir war.“
Eines Tages, es war ein Sonntagmorgen, der Frühling nahte, die Sonne schien durchs offene Fenster auf warme Brötchen und frisch gepressten Orangensaft lief eine Dokumentation im Fernsehen „Make Love“ von Ann-Marlene Henning, das war der Auslöser. Es gab also Sexologen, die auf dem Weg zu freudvollem Sex unterstützen. Heidi und Andreas sprachen miteinander über ihre Hoffnungen. Sie wollten es ausprobieren, vereinbarten einen Termin. Wir begannen zu arbeiten.
Emotionale und körperliche Entwicklungen
In der gemeinsamen Arbeit ging es zunächst einmal darum, sich positive und konstruktive Rückmeldung zu geben, um „rituelle“ Vorwürfe zu vermeiden. Beide lernten, die eigenen Gefühle, emotional sowie körperlich, wahrzunehmen und diese dem anderen auch mitzuteilen. Beide lernten, aufmerksam zuzuhören und darauf einzugehen, was der andere sagte. Dies war zu Anfang gar nicht so einfach, weil Andreas schnell in die Defensive geriet und sich emotional zurückzog. Heidi verlangte Rücksicht, war aber mitunter selbst wenig aufmerksam. Andreas lernte, seinen Standpunkt zu vertreten, seine Angst auszuhalten, der „Böse“ zu sein, denn das war er nicht. Für Heidi war es ein wichtiger Schritt, zu erkennen, was sie brauchte und dies auszusprechen, ohne gleichzeitigen „Vorwurf“. War sie doch bisher davon ausgegangen, Andreas müsse „spüren“, was sie brauche, ohne dass sie selbst etwas „sagen“ müsse. Denn, so ihr Vorurteil, wenn sie erst einmal „aussprechen“ müsse, was sie brauche, wäre es nicht mehr das Gleiche wert. Dann wäre Andreas einfach nicht wirklich sensibel, wenn sie es erst „fordern“ müsste. In der gemeinsamen Körperarbeit lernte sie, dass es unmöglich ist, alle Empfindungen des Gegenübers zu erahnen, ohne die geringsten Zeichen zu erhalten. Fühlen und sprechen
Auf der körperlichen Ebene begannen wir mit „Berührungen und Feedback“ zu arbeiten. Die erste Frage, die wir lösten, war: Was bedeutet überhaupt eine aufmerksame Berührung? Auf welche Weise kann ich berühren und selbst so viel wie möglich dabei spüren? Je mehr die eigenen Hände fühlen wollen, desto intensiver wird die Berührung und desto angenehmer kommt sie beim Nehmenden an. Denn die Berührung wird behutsam, langsam, tastend, aufmerksam. Was fühlt man? Was fühlen die Handflächen, die Fingerspitzen auf ihrem Weg? Welche kleinsten Unebenheiten? Ist die Hautoberfläche glatt oder trocken? Warm oder kalt? Wo ist sie besonders weich oder fest? Was fühlt die Haut, die berührt wird? Könnte man mit dem Druck der Handfläche variieren, den Rhythmus des Gleitens verlangsamen oder beschleunigen?
Den ganzen Körper spüren und erregen
Beide lernten in mehreren Sessions, sich aufmerksam, behutsam und sinnlich am ganzen Körper zu berühren. Zu Hause übten sie, ein bis zweimal die Woche für zwei Stunden, sich gegenseitig aufmerksam zu erforschen, zu massieren, sich im Laufe der Zeit erotisch zu entdecken. Dabei war es wichtig, dass es zunächst einmal abwechselnd einen Gebenden und einen Nehmenden gab. Damit jeder von beiden aktiv sowie passiv sein durfte.
Heidi lernte in dieser Zeit ebenso, sich ihrem eigenen Geschlecht zu nähern, ganz für sich allein. Das fiel ihr zu Anfang sehr schwer, da es sich um einen unbekannten Ort handelt. Jedoch hielt sie sich an die vereinbarten Übungsstunden. Fuhr fort, ihren Körper, ihr Geschlecht zu erkunden, zu berühren, zu stimulieren. Sich immer wieder die Frage zu stellen: „Wie fühlt sich die Berührung ganz konkret an? Wie fühle ich mich dabei?“ Im Laufe der Zeit wurden die Berührungen selbstverständlich. Ebenso wurde es einfacher, Erregung zu erkennen und zu verstärken. Dies stellte eine großartige Grundlage dar, um Erotik mit dem Partner zu vertiefen.
Ich zeigte Heidi und Andreas Möglichkeiten der erotischen Stimulationen der intimen Zonen an Kunststoffmodellen. Beide übten zu Hause, diese auszutauschen. Sie konnten nun bereits ihre emotionalen und körperlichen Gefühle wahrnehmen und sich darüber verständigen. Ihren ersten Orgasmus erreichte Heidi durch Andreas Hände. Beide waren sehr glücklich.
Obwohl beide schon viele Jahre verheiratet waren, brauchte es ein Jahr intensiver Arbeit bis zur ersten Vereinigung. Heidi und Andreas mussten zunächst lernen, erotische Stimulationen auszutauschen, Erregung zu steigern, sich mit der Beckenschaukel zu bewegen, Anspannung und Entspannung zu fühlen und einzusetzen und ebenso, sich in ihrer Lust offen zu zeigen. Obwohl die erste Penetration eher kurz ausfiel und nicht wirklich erregend war, fühlte es sich großartig an, wirklich vereinigt zu sein, sagten beide.
„Lustvoll“ waren weite Phasen der Arbeit nicht. Beide meinten, sie kämen sich gelegentlich vor wie Schüler, die lernten, sich gegenseitig zu entdecken, um irgendwann den ersten wackeligen und unsicheren „Akt“ hinter sich zu bringen. Aber von da an war eine Tür geöffnet für weitere erotische und lustvolle Entwicklungen. Außerdem darf man auch mal lachen, wenn was nicht klappt, sagte Heidi.
Lustvoll lieben
Es sollte ein weiteres halbes Jahr dauern, bis Andreas durch Penetration einen Orgasmus erreichte. Heidi genoss die Vereinigung sehr, einen Orgasmus erreichte sie dadurch nicht. Dazu nutzen beide orale oder manuelle Stimulation, welches sich großartig anfühlte. Heidi und Andreas sagten, keine Frage, es hat sich gelohnt, den Weg zu beschreiten. Er war die Voraussetzung für eine glückliche Partnerschaft.
(Mehr über das Thema "noch keine sexuelle Erfahrung" in meinem Buch "Für die Liebe ist es nie zu spät. Absolute Beginner - wenn Sie das erste Mal noch vor sich haben.")